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Gefangenendilemma

Was bedeutet der Begriff Gefangenendilemma

Was bedeutet der Begriff Gefangenendilemma?

Das Gefangenendilemma ist eines der bekanntesten Phänomene der Spieltheorie. Dieser Theorie zufolge werden zwei Konflikt- oder Verhandlungsteilnehmer in den meisten Fällen auf eine Kooperation verzichten, auch wenn beide durch diese Kooperation profitieren könnten. Jeder Teilnehmer strebt nur danach, seinen eigenen Profit zu maximieren, was heutzutage für Politik, Business, Wirtschaft, das soziale Umfeld und andere Bereiche des Lebens das Hauptproblem ist.

Für das Gefangenendilemma hat man bisher keine universelle Lösung gefunden. Im Gefangenendilemma dominiert die Strategie, die vor allem ihrem Nutzer die größten Vorteile bringen soll, unabhängig von den Strategien anderer Teilnehmer, was eigentlich den Kern dieses Dilemmas ausmacht. Am besten zeigt sich diese Situation am Beispiel der bekannten Geschichte über zwei Diebe, die gemeinsam ein Verbrechen begangen haben und von der Polizei gefasst worden sind. Da sie in getrennten Zellen sitzen, können sie nicht miteinander kommunizieren. Nun stehen jedem der Gefangenen folgende drei Varianten zur Wahl:

  • Beide (aber wirklich beide!) hüllen sich in Schweigen - und wenn sie ihre Schuld zum festgelegten Termin nicht gestehen, erhalten beide eine geringe Strafe.
  • Gesteht nur einer von ihnen, wird er auf freien Fuß gesetzt, während der andere die Höchststrafe bekommt.
  • Beide Verbrecher gestehen - und erhalten die gleiche hohe Strafe, die allerdings keine Höchststrafe ist.

Da die Mittäter nicht kommunizieren können, weiß der eine nicht, was der andere macht. Und die Gefahr, der einzige zu sein, der bestraft werden soll - falls Variante 2 eintritt - zwingt in der Regel beide dazu, ein Geständnis abzulegen. Da jeder von ihnen eigentlich nur an sich selbst denkt, erhalten beide am Ende eine mittlere Gefängnisstrafe, obwohl diese Strafe hätte niedriger ausfallen können, wenn beide geschwiegen hätten.

Definition des Gefangenendilemmas

Definition des Gefangenendilemmas

Zuallererst müssen wir wissen, was die Spieltheorie ist, um zu verstehen, welchen Platz das Gefangenendilemma darin einnimmt. Die Spieltheorie ist die mathematische Methode zum Aufbau einer Verhaltensstrategie in jedem Prozess, an dem zwei und mehr Parteien teilnehmen, die jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen. Da jede Partei eigene Taktiken und Instrumente einsetzt und ein bestimmtes Ziel anstrebt, kann jeder Teilnehmer entweder gewinnen oder verlieren - beides in gleichem Maße. Die Spieltheorie hilft bei der Wahl der besten gemischten Strategie, ausgehend vom Verständnis der Psychologie, der Denkweise und der Ressourcen anderer Parteien.

Als Theorie wurde das Gefangenendilemma ursprünglich vom US-amerikanischen Mathematiker Albert Tucker formuliert. Dadurch hat er die Schwierigkeiten bei den Spielen veranschaulicht, wo es nur einen Preis, dafür aber mehrere Spieler gibt, die zu keiner Kooperation miteinander bereit sind. Doch warum heißt dieses Phänomen ausgerechnet Gefangenendilemma? Das liegt an den Besonderheiten des Strafgesetzes in den meisten Ländern der Welt, wo man die Verbrecher bestraft, die sich gegenseitig ans Messer liefern und geständig werden, dabei aber oft von einer Strafe absieht, wenn beide die Aussage verweigern. Gerade diese Idee und das Thema Kooperation wurden der Theorie des Gefangenendilemmas von A. Tucker zugrundegelegt.

Man kann folgende Aspekte dieser Theorie hervorheben:

  • Das Gefangenendilemma entsteht in Situationen, wenn ein Teilnehmer daran interessiert ist, die Lage des anderen Teilnehmers zu verschlechtern, dabei aber keine bewussten Beweggründe hat, um die Lage aller Teilnehmer gleichzeitig und auf einmal zu verbessern.
  • Dem Gefangenendilemma zufolge bekommt das Individuum dann den größten Vorteil, wenn er die anderen Teilnehmer für seine Feinde hält und auffliegen lässt.
  • Mit jeder Spielwiederholung messen die Teilnehmer der Kooperation immer mehr Bedeutung bei und gelangen somit nach und nach zum gegenseitigen Vorteil.
  • Trotz destruktiver Motive und Anreize, die die Teilnehmer eines Prozesses dazu bewegen, ihre eigenen Interessen zu Ungunsten der anderen Teilnehmer umzusetzen, kann und muss das Gefangenendilemma überwunden werden.

Bedeutung des Gefangenendilemmas

Bedeutung des Gefangenendilemmas

Obwohl das Gefangenendilemma ein Teil der Spieltheorie ist, die nicht von jedem studiert und erst recht nicht von jedem verstanden wird, kommt dieses Phänomen auch im Alltag oft vor. Dabei kann aber die Kenntnis der Funktionsweise des Gefangenendilemmas unter anderem in folgenden Fällen dienlich sein:

  • Bei der Wahl einer effizienteren Taktik während der Verhandlungen, wenn man sich anfangs nicht entscheiden kann, ob das Gespräch hart oder sanft zu führen ist;
  • Bei Teamführung und bei der Lösung interner Konflikte;
  • Im Business, wenn es darum geht, zwischen dem eigenen Profit und einer effektiven Befriedigung der Kundenansprüche zu wählen;
  • Wenn man im Privatleben eine wichtige Entscheidung zu treffen hat, da mehrere Handlungsvarianten mit verschiedenen Profit-Ebenen zur Wahl stehen.

Zusammenfassend kann man Folgendes festhalten: Das Gefangenendilemma gibt die Möglichkeit, in einer schwierigen Situation einen Ausweg zu finden oder zumindest das Motiv und das Verhaltensmodell des Opponenten zu verstehen, um nicht überrascht zu werden oder keine Fehlentscheidung zu treffen.

Das Nash-Gleichgewicht beim Gefangenendilemma

Das Nash-Gleichgewicht ist ein weiteres Konzept innerhalb der Spieltheorie, das aber trotzdem im Gefangenendilemma entsteht. Als Nash-Gleichgewicht bezeichnet man die Situation, bei der eine einseitige Gewinnsteigerung nicht möglich ist. Das bedeutet, dass der Spieler bzw. Prozessteilnehmer seinen Gewinn durch einseitigen Strategiewechsel nicht erhöhen kann, wenn andere Teilnehmer ihre Strategien nicht ändern. Der Mathematiker John Nash, dem wir diese Entdeckung zu verdanken haben, führt die Situation mit dem Wolfsrudel im Wald als Beispiel an. Die Wölfe fressen nie alle Hasen im Wald auf, weil ihnen sonst nichts mehr zum Leben übrigbleibt. Dadurch wird das beste Ergebnis dieses Spiels sein, wenn sich alle Wölfe darauf einigen, dass jeder von ihnen, zusammen mit den anderen, den Appetit in Maßen hält.

Es gibt auch Varianten des Nash-Gleichgewichts, wenn es um einseitige Vorteile für einen der Teilnehmer geht:

  • Stabiles Gleichgewicht: Der Spieler kann seine Strategie zwar ändern, verschlechtert dadurch aber nicht nur seine eigene Situation, sondern auch die Lage der anderen;
  • Instabiles Gleichgewicht: Bei einem Strategiewechsel erlangt der Spieler gute Bedingungen, die jedoch nicht besser sind als zuvor.

Wenn der Spieler hingegen imstande ist, seine Lage durch eine neue Strategie zu verbessern, dann ist kein Nash-Gleichgewicht vorhanden.

Nehmen wir eine Situation aus dem Alltagsleben als Beispiel: Zwei Autos bewegen sich auf zwei Fahrspuren nebeneinander, nur in entgegengesetzten Richtungen. Wie viel Gleichgewichtssituationen gibt es hier? Die erste Situation: Beide Wagen fahren rechts voneinander und bleiben in Sicherheit, indem sie einfach aneinander vorbeifahren. Die zweite: Einer der Fahrer dreht das Lenkrad plötzlich um, und es kommt zu einem Unfall, deshalb kann man dieses Szenario als stabiles Gleichgewicht bezeichnen. Das dritte Gleichgewicht, das als instabil gilt, entsteht, wenn beide Kfz-Fahrer die Richtung ändern wollen und dies auf die gleiche Weise tun. Dadurch wird die Situation weder besser noch schlechter, das heißt, ein Unfall ist nicht passiert, aber auch keine Verbesserung der Lage für irgendeinen Wagen.

Wie findet man einen Ausweg aus dem Gefangenendilemma?

Wie findet man einen Ausweg aus dem Gefangenendilemma

Der US-amerikanische Politologe Robert Axelrod hat nach langjährigen Forschungen Folgendes festgestellt: Je öfter man auf dieses Dilemma stößt, desto einfacher und schneller findet man einen Ausweg daraus. Dazu tragen Erfahrungen bei, die meistens bei all denjenigen negativ sind, die es mit diesem Dilemma schon zu tun hatten, und die neuen Fertigkeiten, von denen Axelrod das Konfliktmanagement und die Redekunst als die wichtigsten erachtet. Das sind auch die Errungenschaften, die wiederum wertvolle Erfahrungen eingebracht haben. Außerdem hat der Forscher herausgefunden, dass die Strategien, in denen Habgier das Hauptmotiv ist, auf lange Sicht zu schlechteren Ergebnissen führen als diejenigen Strategien, in denen es vor allem um Kompromissbereitschaft und Vertrauen geht.

Aufgrund dieser Erkenntnisse hat Axelrod einige Grundsätze formuliert, mit denen man das Gefangenendilemma bei den Verhandlungen lösen oder sogar vermeiden kann:

  • Die Verhandlungsstrategien dürfen keine Manipulationen enthalten, und die Teilnehmer sollen nicht versuchen, den Opponenten reinzulegen, und zwar so lange, bis einer von ihnen bei einem Betrugsversuch erwischt wird.
  • Sollte einer der Teilnehmer gegen die Interessen des anderen gehandelt haben, muss der andere genauso handeln, um die Gesamtlage auszugleichen.
  • Nach dem vollendeten "Racheakt" sollen die Teilnehmer wieder zusammenarbeiten und sich an Grundsatz Nr.1 halten.
  • In der Verhandlungsstrategie muss man danach streben, den Interessen aller Teilnehmer in gleichem Maße Rechnung zu tragen, ohne dass man bemüht ist, den anderen zu überlisten und mehr Vorteile dadurch zu gewinnen.

Die Einhaltung dieser Grundsätze hat wesentlich dazu beigetragen, dass die Effizienz und der Erfolg der Verhandlungen erhöht wurden, bei denen es zum Gefangenendilemma gekommen war. Somit hat die Strategie von Axerlod die meisten Chancen, für alle Prozessteilnehmer nützlich zu sein. Hauptsache, man überwindet die individuellen egoistischen Anreize zugunsten des Allgemeinwohls und wiederholt das Spiel mehr als einmal, wenn es beim ersten Mal nicht geklappt hat. Mit der Zeit können die Teilnehmer Strategien entwickeln, die für Kooperation belohnen und für den Verrat bestrafen, was dazu führt, dass die Menge der Anreize zum Verrat zurückgeht.

Und es gibt noch eine andere Methode, das Gefangenendilemma zu lösen. Sie besteht darin, dass man gemeinsam Instrumente und Strategien entwickelt, die das Entstehen von destruktiven Anreizen verhindern und die Denkmodelle auf rationale, bewusste und gegenseitig vorteilhafte Lösungen ausrichten. Es sei jedoch angemerkt, dass diese Methode zur Lösung des Dilemmas aufwendiger ist und alle Spielteilnehmer in die Arbeit einbeziehen muss.

Eines dieser Instrumente könnte die Auszahlungsmatrix des Gefangenendilemmas sein. Das sind vier Spalten mit folgenden Informationen:

  • Was passiert, wenn der erste Teilnehmer den zweiten verrät;
  • Was passiert, wenn der zweite Teilnehmer den ersten verrät;
  • Was passiert, wenn beide Teilnehmer einander verraten;
  • Was passiert, wenn niemand niemanden verrät.

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Beispiele des Gefangenendilemmas

Wir wollen nun das klassische Gefangenendilemma am Beispiel einer Situation mit Kriminellen veranschaulichen:

Bonnie und Clyde haben eine Bank ausgeraubt, wurden aber verhaftet und in getrennten Verhörräumen untergebracht. Da die Polizei keine weiteren Zeugen hat, wird es äußerst schwer sein, die Täter zu überführen - es sei denn, einer von ihnen, oder auch beide, gestehen selbst ihre Schuld. Nun stehen beide Kriminellen vor der Wahl: Entweder sie schweigen, und dann erhält jeder von ihnen nur 1 Jahr Knast, oder einer von ihnen verrät den anderen und wird freigelassen - aber dann bleibt der andere 5 Jahre lang hinter Gittern. Wenn beide gestehen, bekommen sie jeweils 2 Jahre aufgebrummt.

Da Bonnie und Clyde miteinander nicht kommunizieren können und somit unabhängig entscheiden, kann es hier vier Lösungsvarianten geben:

  • Nur Bonnie verrät Clyde - und wird befreit. Clyde geht dann für 5 Jahre ins Gefängnis.
  • Nur Clyde verrät Bonnie und wird befreit, und Bonnie bleibt 5 Jahre lang im Knast.
  • Bonnie und Clyde sagen gegeneinander aus - dann bekommen sie beide jeweils 2 Jahre.
  • Bonnie und Clyde schweigen - und haben dann nur 1 Jahr abzusitzen.

Dem Gefangenendilemma zufolge liegt die Wahrscheinlichkeit des Szenarios Nr. 3 bei mehr als 50 Prozent. Der vierte Ausgang ist nur zu 5 Prozent wahrscheinlich.

Lassen Sie uns ein paar Beispiele des Gefangenendilemmas im realen Leben ansehen, zum Beispiel im Business, wo dieses Dilemma am häufigsten entsteht und den gesamten Markt einem Risiko aussetzt. Nehmen wir an, es gibt zwei Firmen, die Kosmetika herstellen und in einem Konkurrenzverhältnis zueinander stehen. Ein Preiskrieg bricht zwischen ihnen aus, denn beide Wettbewerber wissen, dass die Käufer immer eine preiswertere Ware bevorzugen. In dem Bestreben, mehr Kunden zu gewinnen und den anderen auszustechen, senken beide Unternehmen so sehr ihre Preise, dass sie bald keinen Profit mehr erwirtschaften und Verluste hinnehmen müssen. Im Endergebnis hat keine der beiden Firmen neue Kunden gewonnen, ihr Budget ist ausgeschöpft, und sie können keinen Gewinn mehr ausweisen.

Genauso sieht es bei dem Wettrüsten verschiedener Staaten aus, wenn sie ständig ihre militärische Stärke ausbauen und dadurch nur Angst und Konflikte in ihren Gesellschaften schüren, ihre Ressourcen aufbrauchen und statt der Kontrolle über den Gegner nur noch kompliziertere internationale Beziehungen aufrechterhalten. Ein Gefangenendilemma ist ja sogar in der Landwirtschaft möglich: Wenn Bauern ihre Kapazitäten nur erweitern und immer mehr Lebensmittel produzieren, ist der Markt bald übersättigt, und wegen des Produktionsüberschusses kommt es zum Preisverfall, so dass viele Bauernhöfe bald kurz vor der Insolvenz stehen.

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