Theorie der kognitiven Belastung. Teil 1: Warum Sie beim Lernen überlastet sind

Theorie der kognitiven Belastung. Teil 1: Warum Sie beim Lernen überlastet sind

| Selbstentwicklung

Damit das Lernen möglichst viel Nutzen und neue Kenntnisse bringt, ist es gar nicht notwendig, 24 Stunden am Tag mit Lehrbüchern und Vorlesungen zu verbringen.

Mehr noch: Je mehr wir lernen und neue Informationen aufnehmen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir sie uns merken! Dafür gibt es eine wissenschaftliche Erklärung: die Theorie der kognitiven Belastung.

Um es kurz zu formulieren: Diese Theorie besagt, dass die Ressourcen unseres Gehirns begrenzt sind und deshalb je nach Aufgabe zweckmäßig benutzt werden sollten. Doch die Fähigkeit, den Einsatz dieser Ressourcen zu kontrollieren, um sie nicht wahllos auszugeben, muss noch erlernt werden. Diese Fähigkeit ist nicht nur für Schüler und Studenten von Nutzen, sondern auch für all jene, die mit großen Datenmengen arbeiten, Informationen aufnehmen und Inhalte produzieren, denn auch das erfordert viel geistige Energie - was kaum jemand anzweifeln wird.

Lassen Sie uns gemeinsam darauf eingehen, wie das menschliche Gehirn aufgebaut ist, welche Besonderheiten unser Gedächtnis hat und was das Konzept der kognitiven Belastung in der Praxis bedeutet.

Was bezeichnet man als Theorie der kognitiven Belastung?

Wie Sie vielleicht schon gemerkt haben, ist schwere Denkarbeit nicht so gut für das Gehirn, wie es scheint. Laut der Theorie der kognitiven Belastung können die Lernenden nur die Informationen behalten, aufnehmen und anschließend nutzen, die ihr Gedächtnis nicht überlasten. Das bedeutet: Je mehr neues Material wir in einem Kurs, Webinar oder in einer Vorlesung bekommen, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir es uns merken.

Als kognitive Belastung bezeichnet man also die Menge an neuen Daten und Informationen, die gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis gespeichert werden muss, um ein Problem zu lösen, einen Test zu absolvieren, die Erklärung des Lehrers zu verstehen usw. Bei einem Übermaß an Informationen kann der Mensch sie nicht verarbeiten, und die Lernergebnisse, die Leistung und die Qualität der Kenntnisse sinken erheblich. Gleichzeitig kann der Lernende Stress und Unzufriedenheit empfinden, was zum Motivationsverlust führt. Aber auch eine zu geringe kognitive Belastung ist schädlich, denn bei einem zu langsamen Lerntempo verliert der Mensch schnell das Interesse am Lernen.

Die Theorie der kognitiven Belastung besagt, dass es wichtig ist, ein Gleichgewicht zu halten und den Schülern so viel neuen Stoff zu vermitteln, wie sie aufnehmen können, ohne zu versuchen, ihr Gehirn zu überfordern. Der Grad der optimalen kognitiven Belastung ist jedoch bei jedem Menschen anders. Das erschwert den traditionellen Gruppen-Unterricht an Schulen, Universitäten, Meisterklassen und Fortbildungskursen. Somit stellt sich heraus, dass die kognitive Belastung eine sehr heikle Angelegenheit ist: Das Lernen kann in beiden Fällen ineffektiv werden, das heißt, wenn es zu wenig und zu viel davon gibt.

Das ist übrigens der Grund, warum sich viele Menschen für das Online-Studium entscheiden, denn es bietet die Möglichkeit, neue Kenntnisse und Fähigkeiten im eigenen Tempo zu erwerben, jederzeit Zugang zu den Lernmaterialien zu haben und das Lernen mit einer anderen Tätigkeit abzuwechseln.

Wie die Theorie der kognitiven Belastung entstanden ist, und welche weiteren Aspekte sie enthält

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Das Konzept wurde von John Sweller formuliert, einem australischen Bildungspsychologen und Professor an der Universität von New South Wales. 1988 definierte er die wichtigsten Leistungsindikatoren, die bei der Erstellung von Bildungsprogrammen für problemorientiertes Lernen verwendet werden sollten (bei diesem pädagogischen Ansatz werden die Lernenden aktiv in die Lösung praktischer Fälle und Aufgaben einbezogen, anstatt wie bisher hauptsächlich nur theoretisches Wissen zu bekommen). Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren und gleichzeitig der Hauptgrund für mangelnde Lernerfolge ist demnach die einzigartige Struktur, oder die Besonderheit des Gedächtnisses jedes einzelnen Schülers.

Der Wissenschaftler behauptete auch, dass unser Gehirn Informationen in mehreren Systemen empfängt, verarbeitet und speichert. Das sind eben die Arten unseres Gedächtnisses.

Sensorisches Gedächtnis

Diese Art von Gedächtnis verarbeitet Daten, die von unseren Sinnen empfangen werden. Das sind Geräusche, Gerüche und taktile Empfindungen, die uns umgeben. Täglich kommen die meisten Informationen gerade ins sensorische Gedächtnis, wo sie jedoch nicht länger als eine halbe Sekunde bleiben (es sei denn, wir versuchen, diese Empfindungen absichtlich zu verlängern). Am längsten bleiben die Informationen über äußere Reize gespeichert, weil wir uns unwillkürlich darauf konzentrieren. Und wenn der Reiz eine starke Wirkung hat, kann diese Information sogar ins Kurzzeitgedächtnis übergehen.

Kurzzeitgedächtnis

Es wird auch als Arbeitsgedächtnis bezeichnet und ist die wichtigste kognitive Ressource, die direkt am Bildungsprozess beteiligt ist, weil ihr Umfang bestimmt, wie viele Informationen man verarbeiten kann.

Die Information gelangt aus dem sensorischen Gedächtnis in das Kurzzeitgedächtnis und wird dort endgültig aufgenommen oder, im Gegenteil, abgelehnt. Die Daten können in diesem Abschnitt des Gedächtnissystems etwa 30 Sekunden lang gespeichert bleiben. Es wird auch angenommen, dass das Arbeitsgedächtnis fünf bis neun Informationsblöcke gleichzeitig enthalten kann. Einige Forscher glauben, dass sein Volumen im Durchschnitt sogar noch kleiner ist und nur drei bis fünf semantische Konstrukte aufnehmen kann. Wie dem auch sei: alles hängt von den individuellen Besonderheiten des Menschen und von vielen anderen äußeren Bedingungen ab.

So wird beispielsweise die Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses durch die vorherige Arbeitsbelastung beeinflusst. Wenn eine bestimmte Aufgabe dem Schüler große geistige Anstrengungen und einen langen Denkprozess abverlangt hat, werden seine kognitiven Ressourcen noch eine Weile erschöpft sein. Bis sie sich wieder erholt haben, wird die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses geringer bleiben. Deshalb ist es notwendig, beim intensiven Lernen Pausen zu machen und sich gut zu erholen.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass das Kurzzeitgedächtnis komplexer ist als das sensorische Gedächtnis. Es besteht aus mehreren Speichern, die eng miteinander verknüpft sind. Zum Arbeitsgedächtnis gehören u.a.:

  • visuell-räumlicher Speicher, der Informationen wie Form, Farbe und Lage des Objekts verarbeitet;

  • auditiver Speicher, oder die phonologische Schleife, um die Sprache zu kodieren;

  • episodischer Puffer, der Erinnerungen an erlebte Empfindungen erzeugt und abruft;

  • ein zentrales Exekutivorgan, das die Arbeit aller oben genannten Teilsysteme kontrolliert und koordiniert.

Jeder Speicher hat eine begrenzte Kapazität. Eine Überlastung entsteht, wenn in einen davon mehrere unterschiedliche Informationselemente gelangen, die die verfügbare Kapazität übersteigen. Wenn gleichzeitig zwei Arten des Arbeitsgedächtnisses in den Bildungsprozess einbezogen werden, um ein und dieselbe Information aufzunehmen (z. B. das visuell-räumliche und das auditive Gedächtnis), wird die kognitive Gesamtbelastung deutlich verringert, und die Produktivität des Prozesses steigt. Aus diesem Grund greifen Dozenten häufig zu Präsentationen und Diashows, die sie parallel zu mündlichen Erläuterungen als Ergänzungen zu Infomaterialien zeigen.

Langzeitgedächtnis

Hier werden alle verarbeiteten Kenntnisse und Fähigkeiten aufbewahrt, die unser Gehirn bereits gelernt hat. Dementsprechend ist der Umfang des Langzeitgedächtnisses wesentlich größer. Die Informationen werden in bestimmten Strukturen, den so genannten "Schemata", dargestellt, die man mit den Ordnern auf dem Computer vergleichen kann, die es ermöglichen, Daten nach Kategorien zu sortieren. Diese besonderen kognitiven Strukturen tragen dazu bei, dass die Informationen je nach ihrem künftigen Verwendungszweck geordnet werden. So gibt es beispielsweise Schemata für verschiedene Begriffe: Hund, Katze, Haus, Auto usw. Ähnliche Schemata gibt es auch für Handlungen: Rad fahren, ein Buch lesen, den Ball abwehren oder Auto fahren.

Der Schwierigkeitsgrad solcher Konstruktionen kann sehr unterschiedlich sein, und die komplexesten Schemata beinhalten in der Regel auch einfache, und sie verzweigen sich dadurch. Das geschieht zum Beispiel beim Lesenlernen: Zuerst bilden die Kinder Schemata, um sich Buchstaben zu merken, später lernen sie es, Buchstaben zu Wörtern miteinander zu verbinden, dann Wörter zu Sätzen, und so weiter. Ähnlich lernen die künftigen Autofahrer die Verkehrsregeln. Aus kleineren Schemata wird ein großes Schema gebildet.

Gespeicherte Schemata werden später aktiviert, wenn der Mensch mit den ihm bereits bekannten Informationen konfrontiert wird. Je öfter und intensiver wir bestimmte Handlungen ausführen (d. h., die Schemata in die Praxis umsetzen), desto weniger Anstrengung ist nötig, um sie zu wiederholen. Es entsteht ein Automatismus, der es immer leichter macht, eine bestimmte Aktivität immer wieder auszuführen. Somit ermöglichen es uns die Schemata, das angesammelte Wissen geordnet zu speichern und das Arbeitsgedächtnis zu entlasten.

Die Arten der kognitiven Belastung

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Das Konzept der kognitiven Belastung stützt sich weitgehend auf das in der Wissenschaft allgemein akzeptierte Modell der Informationsverarbeitung, das wir oben bereits erörtert haben. Darüber hinaus setzt die Theorie auch die Untersuchung mehrerer Varianten der kognitiven Belastung selbst voraus.

  1. Interne kognitive Belastung

Das ist die Belastung, die durch den Schwierigkeitsgrad des Lehrmaterials entsteht, der wiederum von den vorhandenen (Vor-)Kenntnissen des Schülers abhängt. Anders ausgedrückt: ein Thema, das für den Anfänger schwer ist, ist für den Experten auf diesem Gebiet einfach. Das heißt: der Anfänger hat eine hohe interne kognitive Belastung, während sie beim Experten niedrig ist. Je größer und vielfältiger Ihre Vorkenntnisse sind, desto weniger Mühe werden Sie beim Erlernen eines neuen Konzepts aufbringen müssen. Aus diesem Grund wird z. B. allgemein empfohlen, beim Lernen die Regel "vom Einfachen zum Komplexen" zu befolgen. Niemand kommt auf die Idee, den Erstklässlern gleich die höhere Mathematik beizubringen, nicht wahr? Man kann die interne Belastung auch dadurch verringern, dass man die Informationen vereinfacht, und umfassende Themen in kürzere Einheiten unterteilt werden.

  1. Externe, oder fremde Belastung

Sie entsteht durch Ablenkungsfaktoren von außen, die beim Lernen störend wirken. Das kann alles Mögliche sein, z. B. Autolärm vor dem Fenster, Renovierungsarbeiten beim Nachbarn, laute Musik, zu grelles Sonnenlicht und so weiter. Mit anderen Worten: Die externe Belastung hängt mit der Präsentationsmethode oder mit dem Format des neuen Lehrstoffs zusammen, und hat nichts mit seinem Inhalt zu tun.

Es kommt auch häufig vor, dass externe Belastung durch eine zu komplexe Erklärung eines Themas durch den Lehrer oder eine verwirrende und schwer verständliche Präsentationslogik entsteht. Zum Beispiel, wenn man ständig im Lehrbuch hin und her blättern muss, um in der Vokabelliste nachzuschlagen, die sich sehr ungünstig ganz am Ende des Lehrbuchs befindet. Dadurch steigt die externe Belastung, und die Effizienz des Lernprozesses sinkt.

Interessanterweise wird durch die Verringerung der externen Belastung auch die kognitive Gesamtbelastung reduziert! Mit einfachen Worten: Um die Gesamtbelastung zu reduzieren, braucht man nur die Anzahl der Ablenkungsfaktoren zu verringern.

  1. Relevante, oder zulässige Belastung

Das ist die Belastung, die sich aus den Versuchen ergibt, den Prozess der Verarbeitung und Analyse von Informationen durch verschiedene Hilfsmittel zu erleichtern oder zu optimieren. Zum Beispiel, wenn man bei der Lösung von Problemen auf Tabellen und Algorithmen zurückgreift. Das vereinfacht zwar den Lernprozess und trägt dazu bei, dass man alles schnell im Kopf behält, erzeugt aber eine relevante Belastung. Die relevante Belastung ist also notwendig, um die Ressourcen des Arbeitsgedächtnisses fachgerecht zu optimieren und umzuverteilen.

Welche weiteren Faktoren beeinflussen die kognitive Belastung?

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Neben den Hauptfaktoren, die die kognitive Belastung beeinflussen und ausmachen, gibt es noch weitere Elemente, von denen die Aufnahme neuer Kenntnisse abhängt. Dazu gehören:

  • Die Möglichkeit der "verkörperten Kognition"

So nennt man die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen durch physische Handlungen wie Gesten, alle Arten von Manipulationen mit Gegenständen, Bewegungen usw. Es gibt eine ganze Theorie des verkörperten Bewusstseins, der zufolge der menschliche Geist untrennbar vom physischen Körper zu betrachten ist. Die Theorie des verkörperten Bewusstseins wird als besonders aktuell beim Erlernen von Naturwissenschaften angesehen. So ist es viel einfacher, die Chemie zu beherrschen, wenn man Experimente in einem Labor durchführt, oder Messinstrumente zu benutzen, um Physik zu studieren, und für die Geographie - den Globus zu betrachten und zu drehen. Das verringert die kognitive Belastung und erleichtert das Behalten von Informationen.

Darüber hinaus kann die Arbeitsbelastung durch die Beobachtung der anschaulichen Handlungen des Lehrers verringert werden, weil dies den Wiederholungsmechanismus aktiviert. Zu diesem Zweck werden Video-Lektionen eingesetzt.

  • Das Niveau der Selbstregulierung

Selbstgesteuertes Lernen ist das selbständige Management des eigenen Lernprozesses, der eigenen Fortschritte und Leistungen. Mit anderen Worten: es ist die Verfolgung der eigenen Handlungen für einen produktiveren Bildungsprozess. Zum selbstgesteuerten Lernen in der Praxis gehören also eine kompetente Zielsetzung, schrittweise Planung, Minimierung externer Faktoren, Kontrolle der Ergebnisse, regelmäßige Selbstreflexion, Bewertung der Fortschritte usw.

Im Rahmen der Theorie der kognitiven Belastung wird davon ausgegangen, dass der Schüler seine eigene Belastung selbst kontrollieren sollte. Denn jeder hat, wie bereits gesagt, seine eigene Kapazität des Arbeitsgedächtnisses. Am besten ist es, wenn der Schüler selbst den Fluss der eingehenden Informationen kontrolliert, die Möglichkeit hat, rechtzeitig eine Pause einzulegen oder sogar die Anzahl der gleichzeitig besuchten Kurse zu reduzieren.

  • Emotionen

Emotionen werden im Rahmen der Theorie der kognitiven Belastung als zusätzliche Belastung des Arbeitsgedächtnisses betrachtet, sind aber gleichzeitig ein Instrument, das beispielsweise zur Steigerung der Motivation eingesetzt werden kann, wodurch das Volumen des Arbeitsgedächtnisses erhöht wird. Deshalb lernen wir jedes Thema umso leichter und schneller, je interessanter es für uns ist.

Deshalb ist die Steuerung der Emotionen beim Lernen genauso wichtig wie das Lesen und das Studium neuer Inhalte. Negative Gefühle, das heißt, Angst, Sorge, Unsicherheit, mindern die Lernqualität, während positive Gefühle das Gedächtnis hervorragend fördern.

Im nächsten Artikel wird es darum gehen, wie man die eigene kognitive Belastung steuern kann, um mit Informationen noch effizienter zu arbeiten und nie mehr eine Überlastung zu erleben!

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